3. Preis
Katharina Bender
geb. 1957 in Kaiserslautern
lebt und arbeitet in Dinkelsbühl
katharina-bender.de

Scheinbar statisch und unbewegt breitet sich die fragile und zugleich stark raumgreifende Bodenarbeit von Katharina Bender vor dem Auge des Betrachters aus. Es passiert nichts und dennoch besitzt die Skulptur eine geradezu unheimliche Lebendigkeit.
Wie schon in ihrer Arbeit „1359 blau rot grün“ von 2023, in der je nach Perspektivwechsel eine Kommunikation der Farben untereinander mit einem beeindruckenden Farbspektrum erfolgt, handelt es sich auch bei der Bodenarbeit keinesfalls um eine monochrome Fläche.
Sind in „blau rot grün“ alle Papierstreifen in ihrer jeweiligen Farbe identisch, so entsteht doch die optische Täuschung von helleren, dunkleren, matteren und strahlenderen Farbnuancen. Selbst Farbwechsel von Rot zu Violett werden durch die projektierte Anordnung der Komplementärfarben erzielt.
Noch beeindruckender ist dieser Effekt bei der großformatigen Bodenarbeit, bei der dem Betrachter ein größerer Agitationsrahmen eingeräumt wird. Aus zahlreichen Blickwinkeln kann die Arbeit betrachtet werden und überrascht dabei mit immer neuen An- und Aussichten. Die plane Oberfläche (alle Papierstreifen besitzen exakt dieselbe Höhe) gewinnt unvermutet eine Eigendynamik. Man fühlt sich an die sanfte Wellenbewegung von Wasseroberflächen oder an die organische Struktur von Bäumen erinnert. Sowohl die Maserung von Baumrinde, als auch die Assoziation an Jahresringe werden evoziert. Sämtliche Papierstreifen sind identisch weiß gefärbt und dennoch ergeben sich je nach Betrachterstandpunkt faszinierende Effekte von Hell und Dunkel, von Schatten und Licht mit subtilen Grauabstufungen. Das Spiel mit der Oberfläche, die sich je nach Standort komplett zu verändern scheint, verleiht der Bodenarbeit etwas Spielerisches und animiert den Betrachter, mit dem Werk in Interaktion zu treten und sich auf einen Dialog einzulassen.
Und das ist von der Künstlerin auch bewusst so initiiert: Insgesamt 2025 Papierstreifen bilden die Basis der geometrischen Skulptur von Katharina Bender. 2025 ist die Bodenarbeit mit dem Titel „PAX“ entstanden. 2025 Jahre Geschichte also, die sich vor dem Betrachter wie eine riesige Zeitachse eröffnen und die in ihrer Fragilität alle Brüche in der Historie der Menschheit aufzeigt. So wie das Papier ein anfälliges und zerbrechliches Trägermaterial ist, so ist auch der Friede etwas, das permanentem Verlust und Zerstörung ausgesetzt ist.
Zudem drängen sich neue Assoziationen auf: Struktur und die Farbe Weiß der Papierstreifen erinnern auch an Federn und zusammen mit dem Titel der Arbeit an das Gefieder einer Friedenstaube, die gleichwohl am Boden liegt.
Daneben lohnt ein detaillierterer Blick auf das verwendete Material Papier: Entstanden aus Bäumen ist die Wahrnehmung von Baumstrukturen legitim, zugleich ist Papier aber auch als Schriftmedium zu verstehen, als Träger von historischer und kultureller Persistenz oder ganz konkret als Basis, auf der Friedensverhandlungen ausgearbeitet werden, wenngleich Papier sprichwörtlich geduldig ist. Außerdem ändert sich die Aussage je nach eingenommener Perspektive. Es gibt nicht die eine Wahrheit und zugleich unterliegt Papier permanent der Gefahr, in Flammen eines neuen Krieges aufzugehen.
Von einem bestimmten Standpunkt aus wirkt die Form und Raum in einem konzeptuellen Ansatz sinnvoll nutzende und dennoch durch eine ästhetische Harmonie überzeugende Arbeit in ihren Verdichtungen geradezu düster. Aber das ist alles eine Frage der Perspektive.
Dr. Frauke Bayer, 2025